Genau richtig – Patricia Hoffmann über ihre Hochsensibilität

„Diese Sprache der Bilder, die dabei herauskommt, wenn man sich nur an die Regeln hält, ist einfach nicht meine eigene Bildsprache. Sie sagt nicht das, was ich bin, wer ich sein möchte und kann. Ich löse innerlich gerade viel auf, arbeite an meinem inneren Kind und lasse seitdem meine große, große Sensibilität immer mehr zu. Es ist ein langer Weg. Bislang hieß es immer, ich sei ZU sensibel. Ich möchte das „zu“ gerne ablegen, aber es dauert. Der Workshop ist ein Teil dieses Weges. Ich habe vor Augen, sanfter und weicher in meinen Bildern zu werden, damit sie endlich so sind, wie ich es selbst auch bin.“

Diese Worte hat Patricia zu ihrem Foto-Essay mit dem Titel „Für Mich. Zu Zu Zu“ geschrieben.

Wir sind immer wieder berührt, wie tief die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieses Workshops gehen, wenn sie ihre persönlichen Geschichten in poetische Bilder und Texte verwandeln.

Denn unser Wunsch ist, jede Fotografin und jeden Fotografen, die zu uns kommen, dabei zu unterstützen, ihre ganz eigene Geschichte mit ganz eigenen Bildern zu erzählen.

Patricia hat sich während der fünf Wochen damit beschäftigt, ihre Hochsensibilität zu akzeptieren und für ihre Fotografie zu nutzen, anstatt, wie bisher, Erwartungen von außen zu erfüllen. Das Ergebnis ist ein zartes Porträt ihrer inneren Wandlung, stark und verletzlich zugleich.

Wir haben Patricia gefragt, wie sie mit ihrer Hochsensibilität im Alltag als Fotografin umgeht.

Die Fotos stammen aus Patricias Foto-Essay „Für Mich. Zu Zu Zu“

Was glaubst du, ist der Vorteil, wenn man als Fotografin hochsensibel ist?

Als Fotografin hochsensibel zu sein, kann ein großes Geschenk sein. Ich erlebe bei einem Shooting so viel und das mit all meinen Sinnen. Ich tauche mit den Personen vor meiner Kamera ab, in die Momente. Ich fühle alles mit und nehme alles wahr: Ich fühle die Umgebung, die Stimmung, die Emotionen und selbst die kleinsten Nuancen dazwischen. Ich nehme Gerüche und Temperaturen intensiv wahr und all das fügt sich zu einem Gesamtbild zusammen, das ich dann versuche abzubilden. Das ist wirklich schön, weil ich so das Gefühl habe, das abzubilden, was die Menschen selbst fühlen und wie sie etwas erleben.

Was sind die Herausforderungen als Hochsensible im Familienfotografinnen-Alltag und wie gehst du damit um?

Genau das, was ich oben beschreibe, ist gleichzeitig auch meine Herausforderung. Es ist viel, alles mitzufühlen, mitzudenken, mitzuerleben. Zu riechen, zu hören. Da ist immer eine Vielschicht an Dingen, die auf mich einprasseln und so schön das für ein Shooting sein kann, so ist es gleichermaßen auch manchmal kräftezehrend für meinen Körper und Geist. Ich brauche also viel mehr Pausen.
Ich kann nicht unendlich viele Shootings hintereinander planen und umsetzen und auch nicht ununterbrochen am Schreibtisch sitzen und arbeiten. Ich muss Pausen aktiv einplanen (und das fällt mir durchaus schwer).

Außerdem verliere ich super schnell den Faden. Alles ist wichtig und Priorisieren fällt mir schwer. Sitze ich dann an einer Aufgabe, beispielsweise an der Website oder an einem Angebot, und schaffe es nicht, einen Hyperfokus aufzubauen, in den ich abtauchen kann, dann lenkt mich jegliche Kleinigkeit ab: ein Geräusch draußen im Nachbargarten, ein Surren der Waschmaschine, ein Geruch, der aus der Küche kommt. Immer wieder schaue ich auf, gehe dem Wahrnehmen gedanklich nach und verliere so meine Konzentration. Bei Gerüchen ist das besonders stark. Wenn ich Gerüche wahrnehme und sie als unangenehm einstufe, dann kann ich mich überhaupt nicht mehr konzentrieren und muss schauen, dass ich den Arbeitsplatz wechsele.

Wie achtest du während einer Fotosession auf dich?

Ich muss meistens nicht unbedingt in den Sessions selbst auf mich achten, sondern vermehrt hinterher. Da muss ich dann einen Ausgleich schaffen, möglichst einen ruhigen, reizarmen Moment und Raum finden. Das ist mit Kindern, die zu Hause sehnlichst auf mich warten, aber meistens kaum umsetzbar und so merke ich vor allem die Tage nach den Shootings, insbesondere wenn es lange Shootings waren, dass mir Ruhe und Ausgleich fehlt.

Welche allgemein üblichen Praktiken und Regeln deiner Branche passen für dich nicht und warum?

Immer im gleichen Maß und gleichen Rhythmus präsent zu sein (beispielsweise auf Instagram) funktioniert bei mir nicht. Da kann ich mich noch so sehr bemühen – bei mir kommen Beiträge aus einem Impuls heraus, einem Gefühl. Nur dann sprudeln Worte. Ist es nicht da, kommen auch keine Beiträge. Ich versuche, meinen Bildern einen Text mitzugeben. Das gelingt mir nicht immer, und ich versuche mich aktuell auch etwas davon freizumachen, aber das fällt mir noch sehr schwer.

Wie wichtig ist es für dich, einen Sinn in deiner Arbeit zu sehen?

Wirklich sehr, sehr wichtig. Als ich als Fotografin angefangen habe, habe ich vor allem Lifestyle fotografiert – aber es widerstrebte mir innerlich immer sehr. Irgendwie fühlte es sich nicht echt an, so als würde etwas Entscheidendes fehlen. Und dann erkannte ich: Es fehlt die Schönheit des echten Moments. Die Schönheit aller Menschen, in jeglichen Lebenssituationen. Seitdem ich nicht mehr Lifestyle fotografiere, sondern dokumentarisch, kann ich meine Arbeit als sinnhaft einstufen und ich habe mich noch nie so wohlgefühlt in meinem ganzen Sein. Ich habe das Gefühl, dass solche Bilder wichtig für die Menschen sind, für ihre Sehgewohnheiten und ja, dass sie sogar zum Teil politisch sind. Und das macht mich zutiefst zufrieden.

Wie geht es dir, wenn deine Arbeit bewertet wird, zum Beispiel auf Instagram?

Der Gedanke daran, dass meine Arbeit bewertet wird, ist immer noch sehr schwierig, obwohl es bisher keine negativen Reaktionen gab, sondern nur positive. Aber auch die anzunehmen, fällt mir gar nicht immer leicht. Ich habe bei Instagram die Anzahl der Gefälltmir-Angaben ausgeschaltet und versuche auch selbst nicht nachzusehen, wie viele Menschen diesem einen Beitrag nun ein Herz geschenkt haben. Gelingt natürlich nicht immer.

Fällt es dir leicht, deine Arbeit zu vermarkten?

Ich mache das wirklich ungern, merke aber, dass es ohne auch nicht geht. Ich möchte, dass mein Business funktioniert – und den Gedanken, dass das einfach so funktioniert, habe ich längst aufgegeben. Also arbeite ich daran, nicht nur meine Bilder zu präsentieren, sondern auch mich, als Fotografin dahinter, sichtbar zu machen. Auch hier hat sich aber viel verändert, seitdem ich nicht mehr Lifestyle fotografiere, denn seither kann ich mich selbst viel besser zeigen, wie ich bin: voller Emotionen, sehr feinfühlig und nahbar. Vorher hatte ich immer das Gefühl, ich muss auch besonders „lifestyly“ sein, aber so bin ich nicht. Bei mir ist nicht immer alles aufeinander abgestimmt und ich versinke häufig im Chaos.....

Hat dir die freie Arbeit an einem persönlichen Thema dabei geholfen, deine Hochsensibilität mehr zu akzeptieren und wertzuschätzen? Falls ja, inwiefern?

Absolut. Ich habe schon lange nach einer Herangehensweise gesucht, wie ich mein Thema auch kreativ angehen und umsetzen kann. Ich bin gerade dabei, das Wort „zu“ abzulegen. Ich bin nicht ZU sensibel, ZU feinfühlig, ZU nah am Wasser gebaut. Sondern ich bin all das, aber eben ohne „zu“ sondern genau richtig. Dieses habe ich versucht, in meinem Fotoessay umzusetzen. Der Anfang ist gemacht. Und dieser hallt definitiv in mir nach. Ich bin noch nicht „fertig“ mit dem Thema. Nicht ansatzweise. Aber ich stehe nicht mehr vollkommen verloren dar. Und das tut so unendlich gut.

Vielen Dank, Patricia!

Patricias Website

Patricias Instagram

Das Interview mit Patricia ist der zweite Teil unserer Mini-Serie zum Thema. In diesem Blog-Post berichtet die Fotografin Janine Oswald über ihre Erfahrungen mit ihrer Hochsensibilität.


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Hochsensibel als Fotografin. Ein Interview mit Janine Oswald